Schwere Vorwürfe

Das Protokoll des Derby-Eklats

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Die Wiener Polizei entschloss sich, in die Offensive zu gehen und veröffentlicht auch neue Videos

Die Wiener Polizei hat rund um die Vorfälle beim Wiener Derby mit einer neuen Presseaussendung reagiert und geht auf die Vorwürfe ein. Ziel der Landespolizeidirektion Wien ist es, "den Einsatz für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen und die zahlreich kursierenden Fehlinformationen und Anschuldigungen zu berichtigen".

Aus diesem Grund wurde im Zuge einer ersten Einsatzevaluierung beschlossen, Teile des chronologischen Einsatzprotokolls und Auszüge aus polizeilichen Videoaufnahmen zu veröffentlichen.

• Bereits im Vorfeld gab es von Fangruppierungen des SK Rapid Wien den Aufruf, an einem gemeinsamen Marsch – genannt „Corteo“ – von Hütteldorf nach Favoriten teilzunehmen.

12:30 Uhr: Bereits am Sammelort sowie beim Marsch zum Bahnhof Hütteldorf und im Bahnhofsareal selbst kam es zu massivem Einsatz verbotener pyrotechnischer Gegenstände. Es wurden Rauchtöpfe gezündet, polizeifeindliche Gesänge skandiert und Anstandsverletzungen gesetzt (z.B. Urinieren auf dem Bahnsteig), weshalb bereits zu diesem Zeitpunkt die polizeiliche Videoüberwachung gemäß Sicherheitspolizeigesetz mehrmals angekündigt und in weiterer Folge auch durchgeführt wurde.

• Zum Transport wurden zwei sogenannte Einlagezüge der Wiener Linien bereitgestellt. Mithilfe dieser wurden die Teilnehmer entlang der Linie U4 zum Karlsplatz, von dort aus entlang der Linie U1 weiter zum Reumannplatz gebracht. Auch beim Umstieg am Karlsplatz wurden im Bereich der U-Bahn-Station Knallkörper und pyrotechnische Gegenstände gezündet. Diesbezüglich wurden mehrere Verwaltungsanzeigen – zum Teil gegen bislang unbekannte Täter – gelegt.

14:25 Uhr: Ankunft der Einlagezüge in der U-Bahn-Station Reumannplatz und anschließender Abmarsch der Fans in Richtung Generali-Arena. Auf der Laaer-Berg-Straße (Höhe Ordnungsnummer 2) kam es zu massiver Verwendung pyrotechnischer Gegenstände sowie dem Bewurf angrenzender Häuser, Fenster, Geschäftslokale und unbeteiligter Zivilpersonen, was eine massive Gefährdung darstelle und eine Vielzahl von Beschwerden besorgter Bürger am Polizei-Notruf zur Folge hatte. Die Polizeieinheiten setzten auf Deeskalation und vergrößerten den Abstand zu den Teilnehmern des Marsches. Zwei Ausschnitte aus der polizeilichen Einsatzdokumentation vom Bereich Laaer-Berg-Straße ist im veröffentlichten Video auf dem Twitter-Kanal der @LPDWien öffentlich einsehbar.

 

15:00 Uhr: Der Fanmarsch erreicht die Laaer-Berg-Straße 45, wo diese über die A23 Süd-Ost-Tangente führt. Um 15:03 Uhr meldete der Einsatzabschnittskommandant per Funk die Wahrnehmung von Bewurf des Fahrzeugverkehrs auf der Süd-Ost-Tangente. Zu ebendiesem Zeitpunkt herrschte auf der A23 reges Verkehrsaufkommen, weshalb – um mögliche schwere Verkehrsunfälle und gefährliche Situationen zu vermeiden – die Sperre beider Fahrtrichtungen veranlasst wurde. Anzumerken ist auch, dass der gesamte Fanblock aus einem für die Polizei nicht ersichtlichen Grund direkt auf der Brücke stehenblieb. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die begleitenden Polizeieinheiten nicht auf der Brücke und es gab auch keinerlei polizeiliche Anweisungen, auf der Brücke stehen zu bleiben. Ein Ausschnitt aus der polizeilichen Einsatzdokumentation vom Brückenbereich Laaer-Berg-Straße/ Süd-Ost-Tangente ist im veröffentlichten Video auf dem Twitter-Kanal der @LPDWien öffentlich einsehbar.

15:06 Uhr: Die Süd-Ost-Tangente ist von 15:05 Uhr bis 15:10 Uhr in beide Fahrtrichtungen gesperrt. Danach werden einzelne Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h für den Fahrzeugverkehr freigegeben. Die Autobahn-Sperre verursacht kilometerlangen Stau. Der Bewurf einer der meist befahrensten Straßen Österreichs stellt im strafrechtlichen Sinn eine vorsätzliche Gemeingefährdung (§ 176 StGB) dar, ein Delikt, das mit einer bis zu zehnjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist. Aufgrund der vorliegenden Strafrechtsdelikte sowie aufgrund des aggressiven Verhaltens vieler Fans war zu diesem Zeitpunkt eine Eskalation im Bereich des Stadions geradezu zu erwarten, weshalb um 15:06 Uhr die Anhaltung aller sich in diesem Bereich befindlichen Personen erfolgte. Die Anhaltung erfolgte bewusst im Bereich des Fußweges zwischen Laaer-Berg-Straße und Stadion, da aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nur in diesem Bereich eine einsatztaktisch vertretbare Anhaltung möglich war. Dies wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass es im Zuge der Anhaltung von über 1000 Personen zu keinem einzigen Waffengebrauch kommen musste.

 



 

Das sagt die Polizei zu den konkreten Vorwürfen, dass Kinder, Familien und gebrechliche Personen stundenlang festgehalten wurden:

15:19 Uhr: Eine Familie (Vater, Mutter und 5-jähriges Kind) treten an die Beamten heran und bitten, den Ort verlassen zu dürfen. Der Aufforderung, seinen Ausweis vorzuweisen, kommt der Familienvater erst nach Rücksprache mit anderen Fans nach. Die Familie verlässt nach erfolgter Identitätsfeststellung um 15:24 Uhr den Anhalteort.

15:34 Uhr: Ein Mann teilt den Beamten mit, dringend eine Toilette aufsuchen zu müssen. Umgehend wird eine Identitätsfeststellung durchgeführt und der Mann nach wenigen Minuten ebenfalls aus dem Sicherheitsbereich entlassen.

15:43 Uhr: Durchsage mittels Lautsprecherwagen über die Gründe der Anhaltung und das geplante weitere Vorgehen (Identitätsfeststellung und anschließende Wegweisung aus dem Sicherheitsbereich). Dies hat erneut polizeifeindliche Parolen zufolge. Anwesende führende Fangruppierungen schließen ein Mitwirken für sich und alle anderen Anwesenden aus, weshalb anfänglich nur sehr wenige Personen den Bereich verlassen wollen.

16:07 Uhr: Die Polizei fordert alle Anwesenden erneut via Lautsprecherwagen zur Mitwirkung auf. Mehrere Vereinsverantwortliche sind vor Ort anwesend und versuchen auf die eigenen Fans erfolglos einzuwirken.

16:11 Uhr: Eine Person klagt über Kreislaufbeschwerden. Es sind während der gesamten Dauer der Amtshandlung drei Notfallsanitäter der Polizei anwesend und führen insgesamt 22 Hilfeleistungen durch. Lediglich drei Personen müssen dem Rettungsdienst übergeben werden (Kreislaufbeschwerden, Knie- bzw. Rückenschmerzen).

16:32 Uhr: Es wird eine zweite sogenannte Aufarbeitungsschleuse zur Durchführung von Durchsuchungen und Identitätsfeststellungen eingerichtet. Ein großer Teil der Fans weigert sich nach wie vor, an der Amtshandlung mitzuwirken und sich auszuweisen.

17:07 Uhr und 18:31 Uhr: Es erfolgen weitere Durchsagen, dass Frauen, Kinder sowie gebrechliche Personen vortreten mögen und bevorzugt behandelt werden, um sie schnellstmöglich aus der Amtshandlung entlassen zu können. Auch diese Durchsage verursacht ablehnende Rufe.

Ab Spielende: Es werden freie Kontingente der Bereitschaftseinheit laufend hinzugezogen und insgesamt 11 Aufarbeitungsschleusen eingerichtet, um eine schnellere Abwicklung zu ermöglichen.

• Im Zuge der Kontrollen konnten zahlreiche verbotene Gegenstände vorgefunden und sichergestellt werden, insbesondere pyrotechnische Gegenstände sowie eine Rauchgranate polnischen Fabrikats, die grundsätzlich nur für militärische Zwecke verwendet wird und laut österreichischem Recht als Sprengmittel eingestuft ist. Bei den anderen Sicherstellungen handelt es sich vorwiegend um verbotene Pyrotechnik der Klasse F3 und höher, sowie Blitzknallsätze und Notsignalfackeln.

19:45 Uhr: Durch die polizeiliche Einsatzleitung wird die Berufsfeuerwehr Wien unterstützend angefordert, um die angehaltenen Personen mit warmen Getränken zu versorgen.  Bereits zuvor erfolgte die Verteilung von Trinkwasser.

21:55 Uhr: Die letzte Identitätsfeststellung wird abgeschlossen. Insgesamt wurden 1338 Personen kontrolliert und ihre Daten erfasst. Anzumerken ist, dass auch nach Beendigung der Kontrollen noch mehrere hundert Fans rund um die Örtlichkeit verharrten und sich erst um 22:20 Uhr gemeinsam zur
U-Bahn-Station Reumannplatz begaben.

• Am Platz der Anhaltung konnten nach Beendigung der Maßnahmen zahlreiche Sturmhauben und Gebissschutze (Kampfsport) sowie eine große Anzahl pyrotechnischer Gegenstände vorgefunden werden.

Abschließend merkt die Landespolizeidirektion Wien an:

• Eine Sperre der A23 Südosttangente ist kein Routinevorgang und wird nur in Notfällen in Erwägung gezogen. Die Behauptung einer Sperre der Autobahn vor dem Bewurf ist – wie in den gesicherten Videos ersichtlich – falsch.

• Die Wiener Berufsrettung rückte mit dem Katastrophenzug aus, weil mehrere Fans aufgrund ihrer Anrufe beim Notruf einen derartigen Einsatz ausgelöst hatten. Der Katastrophenzug rückte – weil Hilfe in diesem Ausmaß nicht erforderlich war – wieder ab. Der Einsatzleiter der Rettung verblieb vor Ort.

• Der Großteil der kontrollierten Personen waren – laut Wahrnehmung der Einsatzkommandanten vor Ort – jugendliche und erwachsene Männer. Eine genaue Auswertung aller Identitätsfeststellungen ist im Gange.

• Es entspricht der grundsätzlichen Einsatzphilosophie der Wiener Polizei, dass von Zwangsmaßnahmen betroffene Kinder, Frauen oder gebrechliche Personen möglichst bevorzugt und somit rasch abgefertigt werden.

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