Frankreich - Kroatien

WM-Finale: Kroaten mit offener Rechnung

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Modric könnte als neunter Spieler in einem Jahr WM und Champions League gewinnen.

Nach dem 2:1-Halbfinalerfolg gegen England im Moskauer Luschniki-Stadion bekommt die Überraschungsmannschaft Kroatien am Sonntag im Finale der Fußball-WM am selben Ort die Chance zu einer besonderen Revanche. Vor 20 Jahren platzte der Titeltraum im Semifinale nach einem 1:2 gegen Frankreich, nun sehen die "Feurigen" gegen "Les Bleus" die Gelegenheit, ihr Sehnsuchtsziel zu erreichen.

"Jeder erinnert sich in Kroatien an dieses Spiel", sagte Kroatiens Trainer Zlatko Dalic am Mittwochabend. "Vielleicht hat uns der liebe Gott ja die Möglichkeit gegeben, dieses Ergebnis zurechtzurücken." Eines ist aber bereits jetzt sicher: Das beste Abschneiden in der Geschichte von Fußball-Weltmeisterschaften ist den Südosteuropäern nicht mehr zu nehmen. 1998 hatte man nach einem 2:1-Sieg gegen die Niederlande im Spiel um Platz drei immerhin noch den Trostpreis ergattert.

Dalic selbst will die Begegnung mit der "Equipe Tricolore" am Sonntag nicht als Revanche bezeichnen. Die Leistung seiner Spieler könne man indes gar nicht hoch genug einschätzen. "Was wir für unser Land schaffen, ist fantastisch", sagte der 51-Jährige und lobte gebetsmühlenartig den Charakter seines Teams, das auch gegen England eine schier unbändige Willensstärke bewiesen hat. "Ich wollte auswechseln, aber keiner wollte runter. Zwei Spieler haben mit einem halben Bein gespielt", betonte der Coach. Die Kroaten zeigten den "Three Lions" vor allem in der zweiten Hälfte ihre Grenzen auf.

Kroatien hat ein Spiel mehr als Frankreich

Dass die Dalic-Elf während der K.o.-Phase schon 90 Minuten zusätzlich - insgesamt die Dauer eines gesamten Matches - in den Verlängerungen ihrer Achtel-, Viertel- und Halbfinalpartien auf dem Platz gestanden ist, sieht der Trainer nicht als großes Problem. "Es gibt keine Entschuldigungen. Wir müssen spielen, als wäre es das erste Spiel im Turnier." In den Runden davor hatte sich Kroatien gegen Dänemark und Gastgeber Russland erst im Elfmeterschießen durchgesetzt, zumindest diese Lotterie ist den "Vatreni" in der Vorschlussrunde erspart geblieben.

Regisseur Luka Modric wäre im Falle eines Finalsieges bereit, ein modisches Opfer zu bringen. "Ich werde mir die Haare färben", kündigte Kroatiens Star an. Als Kapitän dürfte das Mittelfeld-Ass von Real Madrid den goldenen Weltmeisterpokal als Erster in den Abendhimmel von Moskau strecken. Auf der Gegenseite wäre Tormann Hugo Lloris dieses Privileg vorbehalten. Anders als der bei diesem Turnier sportlich zuletzt ebenfalls herausragende, insgesamt aber eher unscheinbare französische Keeper, würde Modric bei einem Titelcoup auch in die Kategorie der Allergrößten des Weltfußballs vorstoßen.

Zumindest der Goldene Ball für den besten Spieler in Russland wäre dem 32-Jährigen wohl nicht zu nehmen. Modric selbst legt darauf aber keinen großen Wert. "Diese Dinge interessieren mich nicht", betonte er. Als erst neunter Spieler der Geschichte nach Brasiliens Roberto Carlos (2002), Christian Karembeu aus Frankreich (1998) und einem deutschen Sextett des FC Bayern um Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und Gerd Müller (1974) könnte Modric im selben Jahr im siegreichen Team der WM und der Champions League auf dem Platz zu stehen. Bei Frankreich besitzt sein Real-Mannschaftskamerad Raphael Varane die gleiche Chance.

In Kroatien werden die neuen Helden bereits frenetisch gefeiert. Trotz regnerischen Wetters versammelten sich am Mittwoch erneut mehr als 10.000 Menschen auf dem Hauptplatz der Hauptstadt Zagreb. Auch Modric ahnte, was in seiner Heimat los ist - und nicht nur dort. "Das ganze Land schläft nicht", sagte er. "Und in den Ländern drumherum auch nicht, weil wir vier Millionen Menschen in Kroatien sind und vier Millionen außerhalb des Landes."

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